Geöffnete Bauteile

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Ein Blick ins Innere 

Letzte Änderung: 29. Oktober 2021

Nach vielen Jahren als Elektronikbastler – oder vielleicht auch gleich zu Anfang – fragt man sich, wie denn die Bauteile tatsächlich von innen aussehen. Natürlich finden sich dazu viele Erklärungen und – meist schematische – Zeichnungen. Photos von geöffneten Bauteilen sind aber rar. Dem will ich hier Abhilfe verschaffen.

Der Kohle­schicht­wider­stand

Der Kohleschichtwiderstand besteht aus einem keramischen Kern, der mit einer Schicht aus Kohle überzogen ist. Um den Widerstandswert einzustellen, ist die Kohleschicht gewendelt, so daß eine längere und schmalere Bahn entsteht, und damit ein höherer Widerstand ↥[Wikipedia]. Nachteil der Sache ist, daß man damit auch gleich eine Spule gebaut hat, so daß Kohleschichtwiderstände nicht besonders HF-tauglich sind

Die Frage ist nun: Wie groß ist denn so eine Wendel? Wie viele Windungen ergeben sich? Um das Geheimnis zu lüften, habe ich einen Widerstand aufgeschliffen. Das Ergebnis ist hier zu sehen.

Kohleschichtwiderstand.jpg
Kohleschichtwiderstand, 100 kΩ

Ein IC: Der Ope­ra­tions­ver­stär­ker UA 741

Ein IC zu öffnen ist nicht ganz einfach. In Halbleiterfirmen wird soetwas zwar routinemäßig gemacht, es werden aber Chemikalien benötigt, die man entweder nicht zu Hause stehen haben will (konzentrierte Schwefelsäure) oder weder zu Hause stehen haben darf noch will (konzentrierte Salpetersäure). Wenn man mit derartigen Säuren unter Zufuhr von Wärme ein Loch in das Kunststoffgehäuse ätzt, kann man den Chip nicht nur sehen, er funktioniert sogar noch! Total praktisch für’s Reverse-Engineering ;-).

Wenn man aber nur mal einen Eindruck davon haben will, wie groß der Chip eigentlich im Vergleich zum Gehäuse ist, geht es auch einfacher: Man sägt den IC einfach auf. Im folgenden habe ich zwei Schnitte gemacht, so daß man sowohl die Chipfläche als auch die Höhe erkennen kann.

IC-aufgeschnitten.jpg
IC, aufgeschnitten (UA 741)

Im linken Schnitt erkennt man den kupfernen ↥Lead-Frame, im rechten Schnitt ist – silberfarben – der Siliziumchip zu sehen ist.

Ein Tran­sis­tor: 2N2222

Der Nächste Kandidat auf dem Seziertisch ist ein Transistor. Wenn man hier einen (halbwegs) modernen Kleinsignaltransistor im TO-92-Gehäuse nimmt, stößt man auf die gleichen Probleme wie bei einem IC: Man bekommt das Gehäuse nicht ordentlich aufgelöst. Dummerweise ist ein Transistor so klein, daß man ihn beim Aufsägen nicht notwendigerweise auch findet. Vielleicht sägt man ihn auch gerade weg.

Glücklicherweise werden Transistoren auch heute noch im nicht mehr ganz modernen TO-18-Gehäuse angeboten. Diese Metallgehäuse sind innen hohl, so daß man sie nur aufzusägen braucht, und schon erhält man eine schöne Aussicht auf den Transistor. Für meinen Versuch habe ich einen 2N2222 gewählt, der, ähnlich wie der auch sehr bekannte BC547, ein Epitaxial-Planar-Transistor ist. Er besteht aus einem n-Substrat als Kollektor, in das eine p-Wanne als Basis und wieder ein n-Bereich als Emitter eingebracht werden (siehe Skizze unten links). Der Chip ist im Gehäuse auf dem Metallboden befestigt, und daraus folgt, daß das Gehäuse solcher Transistoren immer mit dem Kollektor verbunden ist.

Transistor-Skizze.jpg
Epitaxial-Planar-Transistor, Skizze. Links: Schnitt, rechts: Aufsicht

Unten ist nun der Transistor, ein 2N2222, zu sehen, rechts im Originalzustand und links geöffnet. Man erkennt die Durchführungen der Beinchen für Emitter und Basis. Der Chip und die Bondingdrähte sind so gerade noch zu erkennen.

2N2222-auf-zu.jpg
Transistor 2N2222 im TO-18-Gehäuse. Rechts Originalzustand, links geöffnet

Um den Chip noch genauer begutachten zu können, habe ich ihn mit einer Mikroskopkamera photographiert. Der Chip mit seiner Struktur und die Bondingdrähte sind gut zu erkennen.

2N2222-Totale-Beschriftet.jpg
Der Chip des 2N2222

Die Flächen für Emitter, Basis und – ganz am Rand – Kollektor sind durch dunkle Linien voneinander getrennt. Die Zuordnung ist auch oben in der Skizze der Aufsicht dargestellt.

2N2222 als Photo­tran­sis­tor

Im Prinzip kann jeder PN-Übergang alles, was PN-Übergänge halt so können. Dazu gehört auch der innere Photoeffekt. Demzufolge sollte es im Prinzip möglich sein, jeden Transistor als Phototransistor zu benutzen.

Das Funktionsprinzip des Phototransistors ist folgendes: Die Basis-Kollektor-Diode wird im normalen Betrieb in Sperrichtung betrieben. An der Oberfläche des Transistorchips kann man diesen PN-Übergang beleuchten. Dadurch entstehen Elektornen-Loch-Paare in der Sperrschicht, und es fließt ein Strom. Die Skizze und die Ersatzschaltbilder unten zeigen, daß der Kollektor-Basis-Strecke praktisch eine Photodiode parallelgeschaltet ist. Der Strom dieser Photodiode kommt in der Basis an und fließt zum Emitter ab. Dadurch wird der Transistor ausgesteuert, und es fließe ein großer Kollektor-Emitter-Strom.

Phototransistor-Skizze.jpg Phototransistor-Ersatzschaltbild.jpg
Phototransistor: Skizze und Ersatzschaltbild

Bei einem richtigen Phototransistor wird man sich nun bemühen, eine große lichtempfindliche Fläche am Basis-Kollektor-Übergang zur Verfügung zu stellen. Den Anspruch hatte man beim 2N2222 natürlich nicht. Dennoch funktioniert er ziemlich gut als Phototransistor, wie das folgende Video zeigt.

2N2222 als Phototransistor

Symmetrischer JFET

Von vielen einfachen Sperrschicht-FETs (JFET) heißt es ja, sie seien symmetrisch, so daß Source und Drain gegeneinander vertauscht werden können. Der einfache Aufbau aus dem Lehrbuch legt das ja auch durchaus nahe. Nun ist es leider so, daß die beiden üblichen Verdächtigen, der BF245 und der BF256, beide im TO-92-Gehäuse hergestellt werden. Und das läßt sich ja so einfach nicht öffnen.

Nach ein wenig Recherche bin ich auf den 2N4392 gestoßen. Auch wenn ich es noch in keinem Datenblatt erwähnt gefunden habe, so findet sich ein entsprechender Hinweis doch in der ↥Anleitung zu einem Laborpraktikum der Berkeley University of California (Problem 4.5): Es handelt sich um einen symmetrischen Sperrschicht-FET. Glücklicherweise habe ich noch ein Exemplar bei Reichelt ergattern können. Mittlerweile scheint er da ausverkauft zu sein. Da der 2N4392 in einem TO-18-Gehäuse geliefert wird, läßt er sich entsprechend einfach öffnen.

Der Transistor ist in der Mitte des Gehäuses auf den Gehäuseboden geklebt, wodurch er direkt mit dem Gate-Beinchen verbunden ist. Die eigentliche Transistorstruktur ist im Bild senkrecht angeordnet: Die beiden silbrig glänzenden Flächen auf dem Chip sind Source und Drain und über Bonding-Drähte mit den entsprechenden Anschlüssen verbunden. Die dunklere, H-förmige Struktur müßte Teil des Gates sein. Der N-Kanal läuft senkrecht vom Source- zum Drain-Anschluß unter dem Querbalken des Hs hindurch. Das H selbst sollte dann, genau wie die Unterseite des Chips, Gate-Potential führen und entsprechend P-dotiert sein.

2N4392-Totale-Beschriftet.jpg
JFET 2N4392 im geöffneten TO-18-Gehäuse.

Bei weiterer Vergrößerung kann man auch eine mäanderförmige Struktur erkennen, mit der das Gate kontaktiert ist.

2N4392-Ausschnitt-Beschriftet.jpg
JFET 2N4392 mit Gate-Kontakt.

Folien­kon­den­sa­tor

Durch jugend­lichen Leicht­sinn bin ich in die Situation geraten, eine größere Menge elektrischer Bauteile zu sortieren — was ich zum Glück nicht ganz alleine machen muß. Uns so kam in der illusteren Runde die Frage auf, wie denn so ein Folienkondensator von innen aussieht. Genug An­schau­ungs­mater­ial war ja vorhanden, und so haben wir uns folgendes Exemplar mal näher angesehen.

Wickel-C-ganz.jpg
Folienkondensator im Urzustand. — 1 µF ±10 %, 53 V= oder 40 V~

Zuersteinmal wurde vorsichtig die äußerste Folie mit der Beschriftung entfernt. Auf dem Photo kann man außerdem erkennen, daß die Kontakte eher mittig im Kondensator angebracht sind. Der Strom fließt also teilweise mit, teilweise gegen den Uhrzeigersinn. So wird die Induktivität des Wickels wenigstens ein wenig kompensiert, so daß die Resonanzfrequenz des Kondensators etwas steigt.

Wickel-C-Beine.jpg
Folienkondensator mit Kontaktierung; Beschriftung wird entfernt.

Beim Abwickeln kann man schön die Schichtung erkennen. Der Kondensator besteht aus den vier Schichten Kunststoff—Metall—Kunststoff—Metall.

Wickel-C-Schichten.jpg
Der Kondensator wird abgewickelt.

Am Ende dieser vier­lagigen Wicklung stehen die beiden Kunst­stoff­folien etwas über die Metall­folien hinaus. So wird verhindert, daß sich die Metall­folien berühren können.

Wickel-C-Ende.jpg
Isolierung der Metallfolien gegeneinander durch überstehende Kunststofffolie.

Um die Länge der Wicklung in voller Schönheit genießen zu können, ist sie hier auf dem Boden ausgelegt. Die Zahlen geben die Länge in Metern an.

Wickel-C-lang.jpg
Wicklung auf dem Boden ausgelegt — 5 m lang.

Zuletzt wollen wir natürlich wissen, ob die Geo­me­trie des Kon­den­sa­tors zur Ka­pazi­täts­an­ga­be paßt. Die Fläche der Kon­den­sa­tor­plat­ten ist schnell berechnet: A = 5 m × 20 mm. Die Dicke der Kunststoff­folie ist nur schwer zu schätzen, da sie wirklich sehr dünn ist. Die fünf­fach gefaltete Folie, also 32 Schichten, sind in der Schieblehre so etwa 0,2 mm dick. Als Dicke ergibt sich also d = 0,2 mm / 32. Die nächste spannende Frage ist die nach dem Material der Folie. Der Aufdruck „KT“ weist auf PET als Dielektrikum hin; das hat eine relative Di­elek­tri­zi­täts­zahl von εr = 3,3. Zuletzt müssen wir beachten, daß durch das Auf­wickeln des Kon­den­sa­tors beide Seiten der Platten (also Metall­folien) als Kondensator wirken. Somit ergibt sich die Kapazität zu C = 2 · ε0 · εr · A / d · 32 = 934 nF. Das ist für die groben Schätzungen, die dieser Rechnung zugrunde liegen, ein wirklich guter Wert.

Di­o­den

Das Schöne an vielen Klein­sig­nal­di­o­den ist, daß sie auch heute noch in ein Glas­ge­häu­se eingebaut werden. Dadurch erübrigt sich das Öffnen — es reicht, ein gutes Bild mit der Mi­kro­skop­ka­mera zu machen, um etwas über den Aufbau zu erfahren.

Der erste Kandidat des heutigen Tages ist eine Ger­ma­ni­um-Spit­zen­di­o­de vom Typ AA112. Der Name „Spitz­en­di­o­de“ rührt nicht etwa daher, daß diese Dioden so spitze sind (obwohl sie das, zu­min­dest in einigen Par­ame­tern, durchaus sind), sondern daher, daß die Sperr­schicht durch eine auf den Halb­lei­ter­kri­stall aufgesetzte Metall­spitze entsteht. Damit ist die Spitzen­diode der industriell gefertigte Nach­folger des berühmt-berüch­tigten Kristall­detektors. Im folgenden Bild ist die AA112 in Seiten­ansicht gezeigt. Vom eher klobigen Anoden­draht, der in das Gehäuse geführt ist, geht ein feiner, dem Daten­blatt zufolge goldener, S-förmig gebogener Draht aus, der in einer Spitze mündet. Die Spitze drückt auf den Germanium-Kristall. Der Kristall ist auf dem kathoden­seitigen Draht befestigt, der auf der anderen Seite durch das Gehäuse geführt ist.

AA112-Totale.jpg
Seitenansicht der Spitzendiode AA112.

Im folgenden Bild ist noch einmal deutlich der Punkt zu erkennen, wo der Draht auf dem Germanium-Kristall aufsetzt. Im Vergleich dazu ist die eigentliche Sperr­schicht, die ja nur in der un­mittel­baren Umgebung der Metall­spitze entsteht, also wirklich klein. Aus diesem Grund ist die Kapazität einer Spitzen­diode im Ver­gleich zu anderen Bau­formen besonders klein. Spitzen­dioden können daher bis in den GHz-Bereich eingesetzt werden.

AA112-Ge-Chip.jpg
Blick auf den Germanium-Kristall.

Zum Vergleich wollen wir uns eine moderne Silizium-Diode ansehen, nämlich eine 1N4148. Auch hier ist im Glaskörper der von außen eingeführte Anschlußdraht aus Kupfer zu erkennen (hier im Beispiel unter der „4“ auf dem Gehäuse). Zwischen den beiden Kupferdrähten ist der Silizium-Kristall mit dem eindotierten PN-Übergang als silberne Pille zu erkennen. Es ist klar, daß sich hier eine viel größere Kapazität bildet, weswegen die Diode für nicht ganz so große Frequenzen geeignet ist.

Überlegung: Die Schaltzeit wird mit 4 ns angegeben; auch wenn das nicht 1:1 auf das Kleinsignalmodell zu übertragen ist, würde ich mit einer Anwendbarkeit bis einige hundert MHz rechnen.

1N4148.jpg
Moderne Kleinsignaldiode 1N4148.

Dioden für größere Ströme haben kein Glas­gehäuse, sondern ein Gehäuse aus dem üblichen schwarzen Kunst­stoff. Als Beispiel soll die Gleich­rich­ter­diode 1N4003 dienen, von denen ich eine handvoll in der Bastel­kiste habe.

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Gleichrichterdiode 1N4003.

Um einen Blick auf den Aufbau werfen zu können, ist das halbe Gehäuse weg­ge­schlif­fen worden. Im Bild unten ist die Kathode, anders als im Bild oben, auf der linken Seite. Man erkennt deutlich den silbrigen Sili­zium­kristall, der zwischen den Kupfer­drähten gehalten wird. Drumherum ist noch eine hellere Masse zu sehen, die dem Schutz und der mechanischen Stabilität dienen mag.

1N4003-offen.jpg
Eine halbe 1N4003.

Ärger­licher­weise funktioniert die halbierte Diode nicht mehr richtig. Die Vor­wärts­span­nung ist auf etwa 0,3 V zu­sam­men­ge­bro­chen, und auch in Sperrich­tung mißt der Dioden­tester noch gut 1 V. Offen­sicht­lich ist die Sperr­schicht beim Schleifen doch zu sehr ver­un­rein­igt worden.